Filesharing: Die Entscheidungsgründe des AG Hamburg Az: 31a C 109/13 betreffend des reduzierten Streitwertes - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

21. August 2013

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Filesharing: Die Entscheidungsgründe des AG Hamburg Az: 31a C 109/13 betreffend des reduzierten Streitwertes

 
„Das Gericht weist die Klägerseite darauf hin, dass es den angenommenen Gegenstands- streitwert, nach dem über § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG Ersatz für die Anwaltskosten verlangt werden kann, nicht für angemessen hält. Als Gegenstandswert der streitgegenständlichen Verletzungshandlung hält das Gericht gemäß § 3 ZPO vielmehr einen Betrag in Höhe von 1.000 EUR für sachgerecht. § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG bestimmt, dass man -soweit die Abmahnung berechtigt war – Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen kann. Die Umstände sowie das Ausmaß der Verletzungshandlung erfordern vorliegend keinen höheren Gegenstandswert, da der Beklagte das File-Sharing offenkundig privat betrieben hat. Bei der Frage der Bemessung einer „angemessenen“ Gegenstandshöhe für die anwaltliche Tätigkeit kann nach Dafürhalten des Gerichtes das am 28. Juni 2013 beschlossene Gesetz u.a. zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes nicht außer Acht gelassen werden (BT-Drucksache 17/13057). Dieses Gesetz enthält keine Übergangsvorschriften und privilegiert Urheberrechtsverletzungen von natürlichen Personen, die urheberrechtlich geschützte Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet.
haben. Damit geht die neue Fassung weiter als der bisherige § 97 a Abs. 2 UrhG, wo auf das Merkmal „außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“ abgestellt worden ist. Das Gericht teilt die nunmehr in § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG n.F, ausdrücklich kodifizierte Ansicht des Gesetzebers, wonach für Verletzungshandlungen durch Personen, die weder gewerblich, noch im Rahmen einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit handeln, der Gegenstandswert deutlich geringer – nämlich mit EUR 1.000 – anzusetzen ist. Dass der Beklagte das File-Sharing gewerblich oder im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit betrieb, ist seitens der Klägerseite nicht vorgetragen. Unter den geänderten § 97 a Abs. 3 S. 2 UrhG n,F. würde damit auch der hiesige Beklagte fallen, sodass die gesetzgeberische Wertung hier voll zum Tragen käme. Diese Zielsetzung des Gesetzgebers muss nach Ansicht des Gerichtes bereits zum jetzigen Zeitpunkt Beachtung finden. Soweit das hiesige Gericht in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen einen höheren Gegenstandswert angenommen haben sollte, hält es hieran in Anbetracht der ausdrücklichen Regelung in § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG n.F. nicht mehr fest. Das Gericht ist bei seiner Entscheidungsfindung auch nicht durch die verfassungsrechtlichen Grundsätze der rückwirkenden Gesetzesanwendung beschränkt. Die Bestimmung des Gegenstandswertes bei der Abmahnung von Verletzungshandlungen unterlag in der Vergangenheit keiner näheren gesetzlichen Regelung, sondern musste vielmehr allein im Wege der tatrichterlichen Überzeugung nach den §§ 3, 287 ZPO erfolgen. Die Rechtsprechung beurteilte den jeweiligen Gegenstandswert in der Folge einzelfallabhängig und insgesamt sehr uneinheitlich (vgl. für Filesharing-Fälle etwa AG Halle/Saale, Urteil vom 24.11.2009, 95 C 3268/09, einerseits und LG Köln, Urteil vom 24.11.2010, 28 0 202/10, andererseits; näher Dreier/Schulze/Dreier, 4. Aufl. 2013, § 97a UrhG Rn. 2). Eine Rechtslage, auf deren Fortbestand die Klägerin vertrauen durfte, konnte in Anbetracht dessen nicht entstehen. Vielmehr war die Beschränkung des Gegenstandswerts bei Abmahnungen auch nach der Einführung von § 97a Abs. 2 UrhG a.F. im Jahr 2008 noch Gegenstand reger Diskussion und schließlich des Gesetzesvorhabens zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken (BT-Drucks. 17/13057). Selbst wenn in diesem Zusammenhang durch die Beurteilung der Angemessenheit des Gegenstandswertes durch das Gericht in Ansehung des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken eine echte Rückwirkung liegen sollte, wobei das erkennende Gericht das noch nicht in Kraft Betretende Gesetz nicht anwendet, sondern dessen Wertungen nur in seine richterliches Ermessen im Rahmen des § 3 ZPO einfließen lässt, wäre diese nach der Rechtsprechung des BVerfG aufgrund der unklaren und verworrenen Rechtslage als gerechtfertigt anzusehen, weil sich kein Vertrauensschutz bilden konnte (BVerfG, Beschluss vom 08.04.1998, 1 BvR 1680-93, WW 1998, 3033), Gegen einen etwaigen Vertrauensschutz spricht schließlich auch Folgendes: Der Gesetzgeber hat mit dem am 28.06.2013 beschlossenen Gesetz und §104a UrhG n.F. auch den sog. fliegenden Gerichtsstand im Urheberrecht erheblich eingeschränkt; maßgeblich ist dort der Beklagtenwohnsitz bei Erhebung der Klage (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Dadurch werden Verstöße, die erst künftig rechtshängig werden, auch wenn sie in der Vergangenheit liegen, bundesweit jeweils am Beklagtenwohnsitzgericht anhängig gemacht werden müssen. Auch insoweit bestand bisher eine ganz unterschiedliche Rechtsprechung (vgl. etwa AG Halle/Saale, Urteil vom 24.11.2009, 95 C 3258/09, 1200,- € Unterlassungsstreitwert für einen Film selbst nach geltendem UrhG in einem sog. File-Sharingfall mit größerer Ausbreitungsrichtung), so dass sich ein Verletzter auf eine etwa für ihn in der Vergangenheit „günstigere“ Rechtsprechung in Hamburg nicht verlassen konnte. Vor diesem Hintergrund rät das Gericht der Klägerin dazu, ihre Klage insoweit zurückzunehmen, wie der unter Ziffer 2) geltend gemachte Betrag die nach Ansicht des Gerichtes auf Basis eines Gegenstandswertes von EUR 1.000 zu berechnenden Rechtsanwaltskosten übersteigt.“