Filesharing: 200,- Euro pro Musiktitel - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

2. Juni 2014

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Filesharing: 200,- Euro pro Musiktitel

OLG Hamburg: 200 € pro Musiktitel beim illegalen Filesharing, Urteil vom 7. November 2013 – 5 U 222/10
Höhe des Schadenersatzes pro Musiktitel
Die Höhe des Schadensersatzes beim illegalen Filesharing ist äußerst umstritten. Eine einheitliche Rechtsprechung kristallisiert sich aber allmählich heraus.
Filesharing: 200,- Euro pro Musiktitel!
So hat sich nun das OLG Hamburg dem OLG Köln angeschlossen, das 200 Euro pro Musiktitel angenommen hatte. Die Vorinstanz des OLG Hamburg, das LG Hamburg, hatte 2010 noch einen Schadensbetrag von nur 15 Euro pro Musiktitel bestimmt.
Haftung von Familienangehörigen
Weiter beschäftigte sich das OLG Hamburg mit der Haftung eines Elternteils beim illegalen Filesharing durch das Kind und verwies insoweit auf die Morpheus-Entscheidung des BGH aus 2012.
In einer P2P-Tauschbörse hatte ein damals 15-Jähriger mehr als 4.100 Musikstücke unbefugt zum Download zur Verfügung gestellt. Sein Vater wusste davon (angeblich) nichts. Die Rechteinhaber zweier Musikwerke verklagten daraufhin sowohl den Jugendlichen und den Vater auf Unterlassung und Schadensersatz. Hierbei beriefen sich die Klägerinnen auf den GEMA-Tarif VR-W I, wonach für das Streaming, also das Anbieten eines Musikstücks ohne Downloadmöglichkeit, 100 Euro zu zahlen sind. Nach Ansicht der Klägerinnen sei für das Zurverfügungstellen eines Musiktitels auf einer Peer-to-Peer-Plattform mit Downloadmöglichkeit ein Betrag von 300 Euro pro Titel angemessen. Das Hamburger Landgericht schraubte die Klägerforderung deutlich herunter auf insgesamt 30 €, also 15 € pro Titel (308 O 710/09). Gegen diese Entscheidung legten die Klägerinnen Berufung ein.
OLG Hamburg folgt im Ergebnis dem OLG Köln
Das OLG Hamburg widersprach dem Landgericht und hielt einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 200 € pro Titel für angemessen. Damit folgte es (im Ergebnis) ausdrücklich dem OLG Köln (Beschl. v. 30.9.2011 und Urteil v. 23.03.2012 – 6 U 67/11; Beschl. v. 8.5.2013 – 6 W 256/12). Dieses wendete in seinem Beschluss für die Berechnung einer fiktiven Lizenz den GEMA-Tarif VR OD 5 mit einem Schadensbetrag von 0,1278 Euro pro Zugriff an und folgte im Urteil der Berechnung der Kläger, die sich an eine brachenspezifische Rahmenvereinbarung von Tonträgern orientierten und damit einen Schadensbetrag von 0,50 bis 0,92 € pro Musiktitel nachwiesen, je nach Aktualität und Popularität der Werke. Bei den gegenständlichen 15 Musiktitel kam das OLG Köln auf einen Schadensbetrag von 200 Euro pro Musikstück bei Annahme des Mindestbetrags von 0,50 €.
Anwendung GEMA-Tarif
Das OLG Hamburg lehnte die Anwendung eines GEMA-Tarifs ab, „weil die GEMA ausschließlich die Urheberrechte der Komponisten/Textdichter vertritt, die Nutzung von Musikdateien im Internet hingegen weitergehende Rechte Dritter betrifft, insbesondere die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers und der ausübenden Künstler“. Hinzu komme, dass das Tarifgefüge der GEMA weder geeignet noch dazu bestimmt sei, Rechtsverletzungen Privater im Wege des nichtkommerziellen Filesharing im Internet zu erfassen. Für die Berechnungsgrundlage fehle es an einer notwendigen Ermittlung, wie hoch die Zugriffe auf die einzelnen Musikdateien jeweils gewesen seien. Eine ausreichende Tatsachengrundlage sei somit nicht gegeben.
Nach Ansicht des OLG Hamburg sei der Schaden vielmehr gem. § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen. Dabei spielten Alter, Platzierung und Bekanntheit der Titel für das OLG Hamburg keine Rolle; auch insoweit weicht das Urteil von der Ansicht des OLG Köln ab. Es sei zu schwierig und aufwändig, für jeden Musiktitel unter Berücksichtigung seines Alters, seiner Platzierung, Bekanntheit usw. einen individuell bestimmten Schadensersatzbetrag zu finden. Daher sei im konkreten Fall in einer Gesamtwürdigung ein allgemeiner Pauschalbetrag festzulegen, der aber nicht für andere Fälle bindend sei.
Haftung des Vaters bejaht
Nach § 832 Abs. 1 BGB haftet ein Aufsichtspflichtiger bei Verletzung seiner Aufsichtspflicht. Wenngleich der Vater des minderjährigen Users nichts von dessen illegalen Handlungen in der Online-Tauschbörse wusste, scheidet seine Haftung nach der Morpheus-Entscheidung des BGH (I ZR 74/12) nur dann aus, wenn er seinen Sohn über das Verbot des illegalen Anbietens von Dateien im Internet aufgeklärt hat und er keinen Grund zur Annahme hatte, dass sein Sohn trotzdem nicht auf ihn hört. Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht hängen etwa vom Alter und der Reife des Kindes ab. Eine Kontrolle ist nach Auffassung des BGH schon wegen der Förderung der Selbständigkeit des Kindes nicht geboten. Eine notwendige Belehrung fehlte vorliegend aber. Zumindest hat der Vater hierzu zu spät dazu vorgetragen und war damit präkludiert.
Anmerkung
Das AG Köln stellte sich in seinem Urteil vom 10. März 2014 (125 C 495/13) gegen die die Urteile des OLG Köln und des OLG Hamburg und sprach dem Kläger nur einen Schadensersatzbetrag von 10 € pro Titel zu. Schließlich sei der wirtschaftliche Schaden durch das öffentlich Zugänglichmachen der Datei gering, weil andere Nutzer der Tauschbörse diese Urheberrechtsverletzung ohnehin parallel begehen würden. Vor allem bemängelt das Amtsgericht, dass die „herrschende Meinung“ die Bemessung der angesetzten Streitwerte außer Acht lasse. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht lange Bestand haben wird.
Das Urteil finden Sie hier.