Stege sind Stege sind Stege …. - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

23. November 2010

Ö-Punkte

Stege sind Stege sind Stege ….

Eigentlich sind Stege an Binnengewässern in Schleswig-Holstein nichts außergewöhnliches. Spätestens seit Erlaß des Landschaftspflegegesetzes, dem Vorläufer des jetzt geltenden Landesnaturschutzgesetzes, sind Bootsstege aber genehmigungspflichtig. Seitdem benötigen diejenigen, welche auf ihrem Grundstück einen Steg oder eine andere Anlage, die als Liegeplatz für ein Boot genutzt werden kann, errichten bzw. betreiben, eine Genehmigung der Naturschutzbehörde. Da diese Genehmigung nur für gemeinschaftliche Anlagen erteilt werden soll, sind nun eigentlich unzählige Bootsstege (Schätzungen nennen mehrere Tausend) zu beseitigen.
Die Klage eines Bootsstegeigentümers ließ nicht lange auf sich warten. Er wehrte sich im Klageverfahren gegen die Abrißverfügung der Naturschutzbehörde. Nachdem er in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht unterlag, legte er Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein ein. Aber das Oberlandesgericht, das im Juli 1994 über diese Klage entschied, bestätigte das Urteil des Verwaltungsgerichtes. Die Entscheidungsgründe des Oberverwaltungsgerichtes ließen – eigentlich – keinen Zweifel darüber aufkommen, wie die einschlägige Norm des Landesnaturschutzgesetzes, welche über die Genehmigungsfähigkeit von Bootsstegen entscheidet, zu verstehen ist.
§ 37 Abs. 1 des Landesnaturschutzgesetz lautet: Wer eine Wasserfläche mit Hilfe (…) eines Steges oder einer anderen Anlage als Liegeplatz für ein Sportboot außerhalb eines Hafens benutzen will, benötigt die Genehmigung (…). Die Genehmigung soll nur für gemeinschaftliche Anlagen erteilt werden, (…).
Das Oberverwaltungsgericht hat bezüglich dieser Norm klargestellt, daß es nicht darauf ankommt, wie der jeweilige Steg genutzt wird bzw. genutzt werden soll (Badesteg). Ausschlagebend sei, daß der Steg grundsätzlich als Bootsanliegeplatz genutzt werden könne.
Der Umstand, daß vor dem Inkrafttreten des Landespflegegesetzes und des Landesnaturschutzgesetzes keine ausreichenden Regelungen über Bootsstege vorhanden waren, hindere den Gesetzgeber auch nicht, solche Bauten nachträglich einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen, und diese damit faktisch in den meisten Fällen für illegal zu erklären. Der im Baurecht existierende Bestandsschutz (Anlagen, die einmal rechtmäßig gebaut wurden, bleiben rechtmäßig, selbst wenn diese zu einem späteren Zeitpunkt den veränderten gesetzlichen Vorgaben nicht mehr genügen) sei auf Bootsstege nicht anwendbar. Der jeweilige Eigentümer müsse nun seinen Steg daraufhin prüfen lassen, ob dieser den Anforderungen der gesetzlichen Bestimmungen entspricht, was für einen Bootssteg als Einzelsteg grundsätzlich ausgeschlossen ist.
So klar wie dieses Urteil in seiner Formulierung war, so sehr trug es dazu bei, daß sich in Schleswig-Holstein Fronten bildeten:
Unmittelbar nach Erlaß des Urteils formierte sich die „Schleswig-Holsteinische Schutzgemeinschaft zur Erhaltung der Seenlandschaft und der Uferregion (SHESU)“, welche für den Erhalt der Bootsstege mit der Begründung, die Nutzung der Natur durch den Menschen müsse erhalten bleiben, eintritt.
Seitens der zuständigen Behörden wurden Arbeitsgruppen zum Zwecke eines einheitlichen (Beseitigungs)Vorgehens in ganz Schleswig-Holstein gebildet.
Am Ende langwieriger Verhandlungen unter Anhörung diverser Umweltschutzverbände und unter Einbeziehung der SHESU wurde ein Handlungskonzept für Stege an Binnengewässern erarbeitet (Stegkonzept), das der zuständigen Behörde als Richtschnur dienen soll. Kernpunkt des Stegkonzeptes ist die Aufteilung der Uferbereiche in 4 Zonen, wobei zwischen ökologisch wertvollen da unbebauten und bereits stark bebauten unterschieden wird. Je nach dem hat der Schutz und die Entwicklung der Natur absoluten Vorrang bzw. stehen die Belange des Naturschutzes hinter den Interessen der Nutzer der Uferzone zurück.
Was nun folgt und in Ausführung des Stegkonzepts folgen wird, bindet auf Jahre hinaus Fachkräfte und Personal der Naturschutzbehörden: Die Bewertung der verschiedenen Uferzonen und die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der Anlagen im Einzelfall.
Da während des Prüfungszeitraumes die Stege weiterhin genutzt werden können, können sich also diejenigen Eigentümer glücklich schätzen, bei denen die Prüfung der Rechtmäßigkeit ihres Bootssteges erst zu einem spätem Termin ansteht.
Bereits wiederholt wurde versucht im Wege einer Gesetzesänderung einen Schlußstrich unter dieses Thema zu ziehen. § 37 des Landesnaturschutzgesetz soll nach Auffassung einer Fraktion des Schleswig-Holsteinischen Landtages insoweit verändert werden, daß als Rechtsgrundlage für die Abrißverfügung § 9a des Landesnaturschutzgesetzes Anwendung finden soll. Aufgrund des unglücklich formulierten Landesnaturschutzgesetzes bestand nämlich zunächst keine Klarheit, welche Eingriffsnorm überhaupt einer Abrißverfügung zugrundegelegt werden kann.
Das § 9a Landesnaturschutzgesetz als Rechtsgrundlage für die Beseitigung der Steganlagen auch von deren Eigentümern und der SHESU befürwortet wird, vermag nicht verwundern. So regelt Absatz 1 dieser Norm zwar bedingungslos die Untersagung eines ohne Genehmigung erfolgten Eingriffs in die Natur (worunter auch der Bau und der Betrieb einer Steganlage fällt), was dazu führt, daß der Verursacher gemäß Absatz 2 unter bestimmten Bedingungen zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verpflichtet wird. Nach Absatz 3 kann die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aber nur innerhalb von 3 Jahren verlangt werden, nachdem der zuständigen Naturschutzbehörde der Bau bzw. die Existenz der Steganlage bekannt geworden ist (vielleicht fühlen sich jetzt Bootsstegeigentümer ermuntert, ihren Bootssteg gegenüber der zuständigen Behörde bekannt zu machen). Das dürfte für viele Bootsstege gelten, die dann automatisch nicht mehr beseitigt werden dürften.
Aussicht auf Erfolg hat diese Gesetzesinitiative, über welche erst vor kurzem im Landtag beraten wurde, zwar nicht. Vielleicht regelt sich aber auf ähnliche Weise das Schicksal vieler Steganlagen zugunsten ihrer Nutzer von ganz allein.
Rechtsanwalt Carsten M. Herrle