Abfotografieren eines Originalkartons: Urheberrechtsverletzung? - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

3. Juni 2014

Tipps Urheber- und Internetrecht Entscheidungen

Abfotografieren eines Originalkartons: Urheberrechtsverletzung?

Abfotografieren eines Originalkartons
Kann ein Verbraucher bei ebay neben der eigentlichen Ware auch deren Verpackung fotografieren, auf welcher sich z.B. ein Produktbild der Ware befindet? Das Amtsgericht Oldenburg/Holstein hat mit Urteil vom 15.05.2014, Aktenzeichen 25 C 926/13 zu dieser Frage erhellendes entschieden.
Welcher Sachverhalt lag dem Rechtsstreit zugrunde?
Im August 2010 wurde auf der Internetplattform ebay eine Funk-Kamera des Herstellers Conrad zum Verkauf angeboten und mit selbst hergestellten Lichtbildern versehen. Auf den Lichtbildern, die in einem Wohnzimmer gefertigt wurden, war u.a. der Originalkarton des Produkts als auch das Produkt selbst angebildet. Die Kamera wurde u.a. neben die Originalverpackung gestellt.
Aus den Urteilsgründen:
„Auf dem Originalkarton befand sich eine Abbildung des Kamerasets, welche vom Beklagten als Berufsfotograf angefertigt wurde. (…) Für die Verwendung des auf dem Karton abgebildeten Fotos hatte die Klägerin keine Erlaubnis vom Beklagten eingeholt und gab diesen auch nicht als Urheber an.“
Negative Feststellungklage
Es dauerte nicht lang, bis sich der vermeintliche Urheber, ein Herr A. B. aus Nürnberg am 01.12.2010 persönlich bei der Inhaberin des ebay-accounts mit seiner bekannten Berechtigungsanfrage meldete und diese aufforderte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bzgl. der Verwendung von ihm gefertigter Fotografien abzugeben als auch mehrere hundert Euro als Schadenersatz forderte. Daraufhin wandte sich die Ebayverkäuferin an die Kanzlei Herrle. Mit Schreiben der Kanzlei Herrle wurden die Forderungen des Herrn B. zurückgewiesen. Nachdem viele Monate später Herr B. erneut über seinen Rechtsbeistand Forderungen stellte, wurde durch die Kanzlei Herrle eine sogenannten Negative Feststellungsklage vor dem Amtsgericht in Oldenburg / Holstein, in der Nähe des Wohnsitzes der Klägerin anhängig gemacht. Mit der Klage sollte festgestellt werden, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, das von ihr gefertigte Foto ohne dessen Zustimmung öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, sowie Schadensersatz an den Beklagten für die Verwendung des Fotos zu leisten.
Negative Feststellungsklage und Positive Leistungsklage in Form einer Widerklage
Erwartungsgemäß beließ es der Beklagte nicht bei der Negativen Feststellungsklage sondern erhob seinerseits widerklagend Leistungsklage, so dass vor dem Hintergrund der gegenläufigen Widerklage die Negative Feststellungsklage allseits für erledigt erklärt wurde. Im Rahmen der Widerklage behauptet der Beklagte,

„dem Produkthersteller keine Lizenz zum Abbilden seines Fotos auf dem Verkaufskarton erteilt zu haben. Er habe nur die Verwendung in einem Prospekt gestattet. Er meint für die Verletzung seiner urheberrechtlich geschützten Rechte an den vogenannten Fotos stünde ihm ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.125 EUR zu.“

Folgerichtig beantragte der Beklagte
„1. die Klägerin zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, das Lichtbild des Widerklägers ohne hierzu berechtigt zu sein, im Internet öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen;
2. die Widerbeklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.125,– Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2010 zu zahlen;
3. die Widerbeklagte zu verurteilen, an den Widerkläger 334,75 Euro außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.“

RA Herrle beantragte konsequenterweise Klagabweisung.
Das Amtsgericht Oldenburg/Holstein hat mit Urteil vom 15.05.2014, Aktenzeichen 25 C 926/13 die Widerklage vollumfänglich zurückgewiesen. Zwar gesteht das Amtsgericht dem Beklagten zu, Urheber des auf dem abfotografierten Originalkarton abgedruckten Bildes gewesen zu sein. Eine Haftung der Klägerin bestünde aber nicht.
Aus den Urteilsgründen:
„Denn dem UrhG, insb. § 17 Abs. 2 UrhG, liegt generell der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass das Urheberrecht unter gewissen Voraussetzungen gegenüber dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit bereits rechtmäßig in Verkehr gesetzter Waren zurücktreten muss (BGH Urteil vom 04.05.2000, Az. I ZR 256197 = BeckRS 2000, 30109863). Der Weiterverkauf und die Bewerbung einer Ware zu diesem Zwecke kann hiernach jedenfalls dann nicht mit Hilfe des Urheberrechts behindert werden, wenn der Veräußerer und Werbende urheberrechtlich zur Weiterverbreitung der Ware berechtigt ist und sich die werbliche Darstellung der Ware im Rahmen des Üblichen bewegt (BGH Urteil vom 04.05.2000, Az. I ZR 256/97, a.a.O.; LG München I, Urteil vom 06.05.2009, Az. 21 0 5302/09 = BeckRS 2009, 20540; vgl. hierzu auch Gramm, GRUR 2001, 788 ff.). Dieser Rechtsgedanke wurde zwar durch den Bundesgerichtshof anhand eines von der hiesigen Konstellation abweichenden Falles entwickelt. In dem durch den Bundesgerichtshof beurteilen Fall wandte sich die Inhaberin der Nutzungsrechte an einem Flakon gegen die Abbildung dieses Flakons für Werbezwecke durch Dritte. Hiervon unterscheidet sich der hier vorliegende Fall dadurch, dass es hier nicht um die Abbildung des Produktes selbst geht, sondern um die Abbildung der Verpackung des Produktes, auf der sich ihrerseits eine (urheberrechtlich geschützte) Abbildung des Produktes selbst befindet. Letztlich greifen jedoch auch hier die vom Bundesgerichtshof entwickelten Überlegungen. Denn dort wie hier kollidiert letztlich das Urheberrecht eines Werkschaffenden (Design des Flakons bzw. Schöpfer des Produktfotos) mit der dem hiesigen Wirtschaftssystem zugrundeliegenden Erforderlichkeit der freien Verkehrsfähigkeit einmal in Verkehr gebrachter Produkte – einschließlich der Produktverpackung. Zur Überzeugung des Gerichts folgt hieraus die Übertragbarkeit der durch den Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze und Voraussetzungen auf Konstellationen wie die hiesige.“

Recht zur Weiterveräußerung von Ware nebst Verpackung
Seitens des Beklagten wurde nicht substantiiert in Abrede gestellt, dass die Klägerin die Ware nebst Verpackung weiterveräußern durfte. Das Gericht ging davon aus, dass das auf der Verpackung aufgedruckte Bild mit Zustimmung des Beklagten in Verkehr gebracht wurde.
Darlegungs- und Beweislast
Grundsätzlich oblag der Klägerin nach Auffassung des Gerichts zwar die Beweislast, berechtigt gewesen zu sein, weil der fotografierte Originalkarton „in den Verkehr“ gebracht wurde und so Erschöpfung gem. § 17 Abs 2 UrhG eingetreten sei.
Exkurs
§ 17 Urhebergesetz regelt insoweit das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Der Erschöpfungsgrundsatz ist in Absatz 2 dieser Regelung bestimmt:
„Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.“
Aus den Urteilsgründen:

„Zur Überzeugung des Gerichts trägt jedoch vorliegend der Beklagte zumindest die sekundäre Darlegungslast. Er muss unter Vorlage der entsprechenden Lizenzverträge substantiiert darlegen, dass er die Verwendung seines Werkes auf den Verkaufsverpackungen entgegen des äußeren Anscheines nicht gestattet hat. Jede andere Darlegungslastverteilung wäre für die Weiterveräußernden unzumutbar und unerfüllbar da diese keinerlei Einblicke haben können in die internen Abreden zwischen dem Werkersteller und dem ursprünglichen Abnehmer des Werkes. Dieser Darlegungslast ist hier der Beklagte nicht nachgekommen. Die vorgelegten Dokumente waren insoweit aussagefrei.“

Nach Auffassung des Gerichts wurde auch das übliche Maß der Präsentation der Ware auf der Internetplattform ebay mit Hilfe von Produktbildern und abfotografierter Originalverpackung nicht überschritten.
„Denn könnte die Klägerin als berechtigte Weiterveräußerin des Produkts dieses nicht in seiner Gesamtheit mit den dazugehörigen Komponenten und dem Originalkarton zum Weiterverkauf abbilden, würde dies die Verkehrsfähigkeit des Produkts erschweren. Denn gerade dem Zweiterwerber von Gebrauchtwaren kommt es regelmäßig für die Kaufentscheidung auch auf den Zustand und das Vorhandensein der Originalverpackung an, weshalb er an einer Abbildung desselben interessiert ist.“
Auch die Art und Weise der benutzten Fotografien wurden nicht beanstandet

„Die Klägerin hat sich zudem des streitgegenständlichen Bildes auch nicht über ein vertretbares Maßhinaus bedient. Insbesondere hat sie sich das Bild nicht — etwa durch Nahaufnahme — derart zueigen gemacht, dass sie nur mit diesem werben würde. Das streitgegenständliche Bild ist lediglich im Hintergrund als Bestandteil der Verpackung und im Rahmen einer im Übrigen laienhaften Aufstellung der Gesamtkomponenten abgebildet.“