Neue Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen Der BGH ändert seine Rechtsprechung zum Wohnraummietrecht - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

15. Juli 2015

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Neue Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen Der BGH ändert seine Rechtsprechung zum Wohnraummietrecht

Neue Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen
Der BGH ändert seine Rechtsprechung zum Wohnraummietrecht
Mit gleich drei Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof im März die Rechte von Mietern hinsichtlich Schönheitsreparaturen gestärkt.
Mit den Urteilen ist der VIII. Zivilsenat des BGH, der neben dem Kaufrecht auch für das Wohnraummietrecht zuständig ist, teils von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt.
Die Urteile befassen sich mit der Wirksamkeit formularmäßiger Renovierungs- und (Quoten-)Abgeltungsklauseln in Mietverträgen.
Renovierungsklauseln sind Klauseln in Mietverträgen, durch welche die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen vom Vermieter, dem diese im Rahmen der Instandhaltungspflicht gemäß § 535 BGB grundsätzlich obliegen, auf den Mieter übertragen bzw. abgewälzt werden. Sie sind Teil fast jeden Mietvertrages.
(Quoten-)Abgeltungsklauseln verpflichten den Mieter zur anteiligen Tragung der Renovierungskosten, sofern die Wohnung nach Ende des Mietverhältnisses Abnutzungs- oder Gebrauchsspuren aufweist, die Schönheitsreparaturen jedoch nach dem in der Renovierungsklausel festgelegten Fristenplan noch nicht fällig sind.
Urteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14
In dem Verfahren, das dem ersten der drei Urteile zugrunde lag, hatte ein Vermieter seinen Mieter wegen unterlassener Schönheitsreparaturen auf Schadensersatz verklagt.
Der Mieter war bei Beginn des Mietverhältnisses in eine unrenovierte Wohnung eingezogen, wofür ihm der Vermieter einen Nachlass von einer halben Monatsmiete gewährt hatte. Die Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen hatte der Vermieter durch eine Renovierungsklausel im Mietvertrag auf den Mieter übertragen.
Der BGH hat die Klage insgesamt abgewiesen.
Eine Renovierungsklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Verpflichtung auferlegt Schönheitsreparaturen durchzuführen, ohne ihm dafür einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, ist nach neuer Auffassung des BGH gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Begründet wird dies damit, dass eine solche Klausel den Mieter dazu verpflichtet, sämtliche Gebrauchsspuren des Vormieters zu beseitigen, so dass er die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben muss, als er sie selbst bei der Übergabe erhalten hat. Den dem Mieter zu Mietbeginn gewährten Nachlass von einer halben Monatsmiete sah der BGH nicht als angemessenen Ausgleich hierfür an.
Der BGH ist durch diese Entscheidung von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt, nach welcher der Vermieter dem Mieter die Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen auch bei einer zu Mietbeginn unrenoviert überlassenen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen übertragen konnte (BGH, Rechtsentscheid vom 01.07.1987, Az.: VIII ARZ 9/86).
Urteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 242/13
Auch dem zweiten Urteil lag ein Verfahren zugrunde, in dem ein Vermieter von einem Mieter Schadensersatz für nicht ausgeführte Schönheitsreparaturen verlangte. Mit ähnlicher Begründung wie im Verfahren VIII ZR 185/14 hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, um die vom Mieter zu beweisende Frage zu klären, ob die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert war. Ist dies der Fall, so ist auch hier die Renovierungsklausel unwirksam. Für die Abgrenzung zwischen „renoviert“ und „unrenoviert“ kommt es dabei nach Ansicht des BGH darauf an „ob etwa Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln“.
Des Weiteren hat der BGH in diesem Urteil entschieden, dass auch ein Anspruch auf anteilige Kostentragung, hinsichtlich der Renovierung, nach einer Quotenabgeltungsklausel nicht besteht.
Begründet hat der Senat diese Entscheidung damit, dass eine unangemessene Benachteiligung des Mieters darin liegt, dass der von ihm zu tragende Anteil an den Renovierungskosten nicht verlässlich ermittelt werden kann und für ihn bei Abschluss des Mietvertrages nicht ausreichend klar und verständlich ist, welche Belastung bei Beendigung des Mietverhältnisses gegebenenfalls auf ihn zukommen. Die Unwirksamkeit der Quotenabgeltungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB ist unabhängig davon, ob die Wohnung bei Mietbeginn unrenoviert oder renoviert war.
Auch mit dieser Entscheidung ist der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt, nach welcher zuvor eine Quotenabgeltungsklausel, bei der der vom Mieter zu tragende Anteil an den Renovierungskosten nach „starren“ Fristen Bemessen wird, für zulässig erachtet wurde (BGH, Rechtsentscheid vom 06.07.1988, Az.: VIII ARZ 1/88). Mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 (BGH, Urteil vom 26.09.2007, Az.: VIII ZR 143/06) wurde die alte Rechtsprechung bereits dahingehend modifiziert, dass derartige Klauseln nur der Inhaltskontrolle standhielten, sofern sie den vom Mieter zu zahlenden Anteil nach dem Verhältnis zwischen der Mietdauer seit der letzten Renovierung und dem Zeitraum bemessen würden, nach dem bei einer hypothetischen Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund des Wohnverhaltens des Mieters voraussichtlich Renovierungsbedarf bestünde.
Urteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 21/13
Auch dem dritten Urteil lag die Klage eines Vermieters auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen zugrunde. Wie zuvor bereits das Berufungsgericht, verneinte auch hier der BGH die Schadensersatzpflicht des Mieters.
Darauf, ob die Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses renoviert oder unrenoviert war, kam es in diesem Verfahren jedoch nicht mehr an, denn da die vom Vermieter verwendete Renovierungsklausel zum Teil auf „starre“ Fristen abstellte, hielt der BGH schon diese für insgesamt unwirksam.
Die Abkehr von der früheren Rechtsprechung zu den in diesen drei Urteilen entschiedenen Problemstellungen begründet der BGH damit, dass es bei Erlass der Entscheidungen aus den Jahren 1987 und 1988 (s.o.), welche der bisherigen Rechtsprechung zugrunde lagen, noch der Praxis des BGH entsprach, den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf den gerade noch zulässigen Inhalt zu beschränken, was nach heutiger Sichtweise als unzulässige geltungserhaltende Reduktion einer Klausel eingestuft würde.
Nach heutigem Verständnis ist die geltungserhaltende Reduktion einer Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Vertrages grundsätzlich ausgeschlossen, da sonst der Verwender relativ risikofrei Klauseln verwenden könnte, welche die andere Partei übervorteilen, da ihm im Falle einer gerichtlichen Entscheidung zumindest das vertretbare Maß des Klauselinhalts bliebe. Auch eine nur teilweise unzulässige Klausel ist dadurch grundsätzlich insgesamt unwirksam.
Im Bereich des Wohnraummietrechts sind die Maßstäbe der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen insbesondere durch die 2004 einsetzende Rechtsprechung des BGH zum Erfordernis eines flexiblen Fristenplans in Renovierungsklauseln (BGH, Urteil vom 23.06.2004, Az.: VIII ZR 361/03) und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung bei der Kontrolle von Klauseln im Individualprozess (BGH, Urteil vom 29.05.2013, Az.: VIII ZR 285/12) erheblich verschärft worden.