Die Restschuldbefreiung im neuen Insolvenzrecht (ab 01.01.99) - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

23. November 2010

Tipps Kieler Anzeiger

Die Restschuldbefreiung im neuen Insolvenzrecht (ab 01.01.99)

Mit der damaligen Insolvenzrechtsreform wurde nicht nur das Unternehmensinsolvenzrecht modernisiert, sondern auch ein Regelinstrumentarium geschaffen, das redlichen Schuldnern – Verbraucher und Kleingewerbetreibende – die Befreiung bestehender Verbindlichkeiten ermöglichen kann, damit ihnen ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich ist, wobei Restschuldbefreiung natürlich nicht bedeutet, dass die Interessen der Gläubiger völlig außer Acht bleiben.
Die Restschuldbefreiung kann nur erreicht werden, wenn zum einen ein Insolvenzverfahren durchgeführt und zum anderen ein Antrag gestellt wurde.
Den Antrag auf Restschuldbefreiung muss der Schuldner beim zuständigen Amtsgericht persönlich stellen, nach Möglichkeit schon mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sodann teilt sich das Restschuldbefreiungsverfahren in vier Abschnitte:
1. Ankündigungsverfahren
Zunächst bekommen die Insolvenzgläubiger vor Abschluss des Insolvenzverfahrens Gelegenheit, zu dem Antrag Stellung zu nehmen, verbunden mit der Möglichkeit, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen. § 290 InsO (http://dejure.org/gesetze/InsO/290.html) listet eine Reihe von Versagungsgründen auf, darunter etwa die unrichtige Angabe zu den wirtschaftlichen Verhältnissen oder die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten kurz vor oder nach Antragstellung. Einen solchen Versagungsgrund müssen die Gläubiger allerdings mit dem Versagungsantrag glaubhaft machen, d.h. Präsente Beweismittel vorbringen, nach denen der Richter den Versagungsgrund für wahrscheinlich hält.
Auch wenn der Schuldner der Zahlung einer gerichtlichen Auflage gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht nachkommt, kann die Restschuldbefreiung versagt werden (§ 314 Abs. 3 Satz 2 InsO [http://dejure.org/gesetze/InsO/314.html]).
Findet sich kein Versagungsgrund, so kündigt das Gericht die Restschuldbefreiung an.
2. Wohlverhaltensphase
Nach der Ankündigung folgt die Wohlverhaltensphase, die sechs Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens dauert (bzw. fünf Jahre, sofern der Schuldner bereits am 01.01.1997 zahlungsunfähig war). Während dieser Zeit muss der Schuldner verschiedenen Pflichten (Obliegenheiten) nachkommen, ansonsten kann die Restschuldbefreiung versagt werden (§ 296 InsO [http://dejure.org/gesetze/InsO/296.html]). So muss der Schuldner z.B. eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben und darf keine zumutbare Tätigkeit ablehnen, ferner muss er Auskünfte erteilen und wahrheitsgemäße Angaben zum Vermögen machen und darf Zahlungen zur Befriedigung von Insolvenzgläubigern nur an den Treuhänder vornehmen (§ 295 InsO [http://dejure.org/gesetze/InsO/295.html]). Außerdem muss der Schuldner in der Wohlverhaltenszeit den pfändbaren Teil seines Einkommens an den Treuhänder abtreten. Diese Beträge und sonstige Zahlungen verteilt der Treuhänder einmal im Jahr an die Insolvenzgläubiger.
3. Erteilung der Restschuldbefreiung
Läuft die Wohlverhaltensphase ab, ohne dass die Restschuldbefreiung versagt wird, so erteilt das zuständige Amtsgericht in aller Regel die Restschuldbefreiung nach kurzer Anhörung der Beteiligten. Die Erteilung wirkt gegenüber sämtlichen Insolvenzgläubigern, auch jenen, die ihre Forderung nicht beim Treuhänder angemeldet haben. Die Restschuldbefreiung betrifft alle Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO (http://dejure.org/gesetze/InsO/38.html), nicht aber Masseverbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
4. Widerrufsverfahren
Die Restschuldbefreiung kann auch nach der (rechtskräftigen) Erteilung durch das Gericht widerrufen werden, wenn im Nachhinein bekannt wird, dass der Schuldner die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung erheblich beeinträchtigt hat (§ 303 InsO [http://dejure.org/gesetze/InsO/303.html]).