Soft-use Erbrecht: Kombination aus Software und Fachbuch - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

23. November 2010

Rezension Zeitschrift Advonet Erbrecht

Soft-use Erbrecht: Kombination aus Software und Fachbuch

 
Erbrecht soft-use und „Gestaltungsmöglichkeiten von Erbfällen und Schenkungen“ aus der Reihe Berliner Anwaltshandbücher von Dr. Ralph Landsittel
Software mit einem Fachbuch zu verbinden ist grundsätzlich nicht neu. Üblicherweise finden sich dabei auf einer beigefügten CD-ROM oder Diskette die in dem jeweiligen Fachbuch enthaltenen Formulare oder anderweitige Tabellen wieder. Die Softwareschmiede soft-use bietet nunmehr aber in Zusammenarbeit mit dem Haufe-Verlag eine wirklich innovative und kostengünstige Alternative: Ein völlig eigenständiges Softwareprodukt wurde mit einem themenbezogenen Fachbuch kombiniert. Interessant ist dabei nicht nur der äußerst günstige Komplettpreis für beide Werke.
Der Bedarf ist sicherlich vorhanden. In den nächsten Jahren werden Anfragen nach erbrechtlicher Beratung aufgrund der sich einseitig verlagernden Alterstruktur verstärkt ansteigen. Jeder Kollege bzw. jede Kollegin kann sich von diesem Kuchen auch ohne Besuch langwieriger und aufwendiger Fortbildungsveranstaltungen einen Teil abschneiden, indem er seinen bzw. ihren Tätigkeits- bzw. Interessenbereich werbewirksam mit „Erbrecht“ umschreibt. In Ermangelung einer Qualifikation z.B. zum Fachanwalt im Erbrecht, stellt dies zur Zeit noch die einzige Möglichkeit dar, mit einer „Spezialisierung“ an die Öffentlichkeit zu treten.
soft-use Erbrecht besteht aus drei miteinander verschränkten Modulen: Erbschaftsplanung, -analyse und -steuer. Mit Hilfe des Moduls Erbschaftsplanung kann der jeweilige Nutzer verschiedene testamentarische Verfügungen oder Schenkungen zu Lebzeiten eingeben und sich die erb- und steuerrechtlichen Konsequenzen anzeigen lassen. Etwaige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche oder die Überschreitung von Freibeträgen lassen sich visualisieren. Die Darstellung eignet sich dazu, dem Mandanten die sinnvollste Möglichkeit zu veranschaulichen. Selbstverständlich steht und fällt das System mit der Vollständigkeit der eingegebenen Daten. Wird ein gesetzlicher Erbanspruch aufgrund von Unkenntnis oder Vergesslichkeit nicht an- bzw.- eingegeben, ist das bisherige Ergebnis natürlich obsolet. Mit dem Modul Erbschaftsanalyse kann die rechtliche und steuerliche Analyse eines Erbfalls vorgenommen werden. Auch hier steht und fällt das Ergebnis mit den vom Mandanten gegebenen Informationen. Das Modul Erbschaftssteuer analysiert letztlich die steuerrechtlichen Konsequenzen eines Erbfalles.
Sämtliche Daten werden mittels verschiedener Datenfenster eingegeben. Die Handhabung auch umfangreicher Daten (z.B. bei der Wertermittlung einer Kapitalgesellschaft nach dem Stuttgarter Verfahren; von Börsennotierungen usw.) wird auf diese Weise vereinfacht.
Besonderes Augenmerk ist auf die graphische Darstellung des (Familien)Stammbaumes zu legen, welcher auf der Grundlage der eingegebenen Daten automatisch erstellt wird. Die jeweiligen Erbansprüche werden direkt in Bruchteilen angezeigt, je nach dem, auf welches Symbol (Person) der Cursor gezogen wird. Natürlich werden dabei auch Pflichtteilsansprüche und die Ansprüche des Ehegatten – je nach dem, ob Gütertrennung usw. vereinbart wurde – dargestellt.
Der Stammbaum kann selbstverständlich auch direkt während eines Beratungsgesprächs auf der Grundlage der Informationen des Mandanten verändert und ergänzt werden, so dass die verschiedenen Varianten eines Erbfalls durchgespielt werden können. Dies geschieht durch Anklicken des Ausgangssymbols (Erblasser) und unter Hinzufügung der jeweiligen Partner bzw. Kinder. Auch komplizierte Konstellationen und deren erbrechtliche Konsequenzen können mit Hilfe dieser Darstellungsweise dem Mandanten schnell verdeutlicht werden. Insbesondere für die beratende Tätigkeit eines Anwaltes ist diese Funktion sehr sinnvoll. Allerdings sollte die technische Ausstattung im Büro dergestalt sein, dass dem Mandanten der Blick auf den Monitor / Bildschirm ohne weiteres möglich ist. Natürlich können die Daten auch ausgedruckt werden. Da die Darstellung zur Unterscheidung der beteiligten Personen mit farbigen Symbolen arbeitet, empfiehlt sich ein Farbdrucker. Sämtliche Daten der im Stammbaum aufgeführten Personen können bei Bedarf angezeigt und ergänzt werden.
Bedauerlicherweise können Erbfälle aber nur dann berücksichtigt werden, wenn der Erbfall nach dem 01. April 1998 eintrat. Verstarb der Erblasser zu einem früheren Zeitpunkt, kann das Programm nicht sinnvoll angewendet werden.
Die Handhabung selbst ist leicht zu erlernen. Behilflich ist dabei ein knapp 100 Seiten starkes Benutzerhandbuch, in dem die wesentlichen Schritte übersichtlich erläutert werden. Darüber hinaus enthält soft-use Erbrecht den vollständigen Text des Fachbuches von Landsittel, eine Sammlung einschlägiger Normen und eine Rechtsprechungsübersicht. Die nach Leitsätzen sortierten obergerichtlichen Entscheidungen sind hilfreich. Eine Berücksichtigung von Entscheidungen der jeweiligen Oberlandesgerichte wäre jedoch noch sinnvoll gewesen.
Insgesamt lohnt sich die Anwendung von soft-use Erbrecht dann, wenn komplizierte Erbrechtsfälle zu bearbeiten sind, in denen es z.B. um Anteile an Kapitalgesellschaften usw. geht. Aber auch in herkömmlichen Erbangelegenheiten ist soft-use Erbrecht nützlich, da dem Mandanten „sein persönlicher Erbfall“ in graphisch aufbereiteter Form mitgegeben werden kann. Im Ausdruck selbst sind allerdings die Bruchteilsansprüche nicht angegeben. Diese müssen handschriftlich nachgetragen werden. soft-use Erbrecht enthält auch keine Formulare bzw. vorformulierten Texte. Hinweise zur Gestaltung und Errichtung letztwilliger Verfügungen sind zwar dem beigefügten Fachbuch zu entnehmen. Allerdings fehlt es auch dort an Beispielstexten. Die Implikation von Testamentsentwürfen (bzw. Schenkungsverträge) hätten den guten Gesamteindruck weiter abgerundet.
Zwar kann eine Erbschaftsplanung mit Hilfe des gleichnamigen Moduls vorgenommen werden. Offensichtlich ist soft-use Erbrecht aber in erster Linie für die Abwicklung eines bereits eingetretenen Erbfalles mit den daraus sich ergebenden erb- und steuerrechtlichen Konsequenzen gedacht.
Aufgrund des günstigen Anschaffungspreises und der guten Handhabung, bewerte ich soft-use Erbrecht insgesamt mit gut.