Ganz überwiegender Sieg gegen Schulenberg Schenk vor dem AG Düsseldorf - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

8. Februar 2015

Urheber- und Internetrecht Wer mahnt was ab? Entscheidungen Schulenberg Schenk / Hamburg Aktuelles

Ganz überwiegender Sieg gegen Schulenberg Schenk vor dem AG Düsseldorf

Ganz überwiegender Sieg gegen Schulenberg Schenk vor dem AG Düsseldorf
Das Amtsgericht Düsseldorf hat bereits am 17. Juni 2014 unter dem Aktenzeichen 57 C 1315/14 eine Klage wegen Filesharing der Kanzlei Schulenberg Schenk aus Hamburg im Auftrage der MIG Film GmbH aus Düren ganz überwiegend abgewiesen.
Zum Sachverhalt
Die Firma MIG Film GmbH ließ Abmahnungen versenden wegen des Filmwerks „Delta Farce“ in deutschsprachiger Fassung. Der Ladenverkaufspreis betrug 7,99 €. Im konkreten Sachverhalt wurde der Mandant unter dem 5. März 2010 wegen einer bereits am 7. November 2009 stattgefundenen Urheberrechtsverletzung abgemahnt und zur Zahlung eines Pauschalbetrages in Höhe von 850,- Euro aufgefordert. Dem Mandanten wurde vorgeworfen, an diesem Tag mittels des Filesharing-Clients Emule das streitgegenständliche Werk zum Download anderen Nutzern des Filesharing-Netzwerkes zugänglich gemacht zu haben.
Nachdem der Abgemahnte keine Zahlung auf die Abmahnung geleistet hatte, wurde gegen diesen das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitete. Gegen den gerichtlichen Mahnbescheid wurde durch den Abgemahnten verspätet Widerspruch eingelegt. Im Zuge dessen beauftragte der Abgemahnte die Rechtsanwaltskanzlei Herrle aus Kiel mit der weiteren Bearbeitung der Angelegenheit.
Aufgrund des Umstandes, dass verspätet Widerspruch ein gelegt wurde, der als sogenannter Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu gelten hatte, ging es im vorliegenden Verfahren aus Klägersicht um die Verwerfung des Einspruchs. Aus Beklagtensicht um die Aufhebung des Vollstreckungsbescheides und um Klagabweisung.
Das Amtsgericht Düsseldorf entschied wie folgt:
Zur Aktivlegitimation der Klägerin (MIG Film GmbH)
Ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie ist durch die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Aus der dem Schriftsatz vom 2. Juni 2014 beigegebenen Anlage K9, die Teil des Klägervortrages ist, geht hervor, dass der Klägerin an der deutschen Übersetzung des streitgegenständlichen Filmwerks lediglich die ausschließlichen Rechte zur Verbreitung über Video Datenträger (wie zum Beispiel DVD) übertragen worden sind, während es unter 5b ausdrücklich heißt, das unter anderem das Recht zur Verbreitung über das Internet bei dem Lizenzgeber, der Lions Gate Films International verbleibt. Das grundsätzlich durch eine Synchronisation eines ausländischen Filmwerks ein eigenes umfassendes Urheberrecht des die Übersetzung Beauftragenden gemäß § 94 UrhG entstehen kann, ist hier nicht relevant, denn derjenige, der ein geschütztes Filmwerk synchronisiert, kann am Ergebnis der Synchronisation nicht mehr Rechte erhalten als ihm vom Hersteller des ausländischen Filmwerks eingeräumt worden ist und dies ist gemäß Anlage Vertrag vom 8. Februar 2009 (Anlage K9) nur hinsichtlich des Rechts zur Verbreitung auf Videodatenträger der Fall. Dem Inhaber lediglich inhaltlich beschränkte ausschließlicher Nutzungsrechte steht ein Anspruch aus § 97 Urhebergesetz jedoch nur insoweit zu, als die Verletzung genau das so beschränkte Nutzungsrecht betrifft“.
Negatives Verbietungsinteresse berechtigt nicht Schaden nach Lizenzanalogie zu berechnen
„Hinsichtlich anderer Verwertungsarten beschränkt sich der Anspruch dagegen auf ein negatives Verbietungsinteresse, soweit die andere Art der Nutzung in seine Rechtsposition eingreift (…), sowie auf einen Schadensersatzanspruch, der gerade dem Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrecht durch die anderweitige Verwertung entstanden ist (…). Dieser Schaden kann jedoch nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden. Deren Zweck ist es nämlich, den Verletzer nicht besser zu stellen als im Fall einer ordnungsgemäß erteilte Erlaubnis durch den Rechteinhaber, die Lizenzanalogie läuft im Ergebnis also auf die fiktive Annahme eines Lizenzvertrages hinaus (…).“
„Hier verhält es sich aber so, dass die Klägerin zur Vergabe von Lizenzen zur Internetverbreitung des Werkes nicht berechtigt war, mithin für Sie nicht die Möglichkeit bestand, insoweit Lizenzeinnahmen zu erzielen. Daher bietet die Annahme eines fiktiven Lizenzvertrags keine rechtliche Grundlage zur Berechnung des der Klägerin gerade in ihrer Eigenschaft als ausschließliche Nutzungsberechtigte entstandenen Schadens.“ (…)
Wert des Unterlassungsanspruchs (negatives Verbietungsinteresse)
„Die Höhe des Streitwertes der Abmahnung richtet sich nach dem wirtschaftlichen Wert des Unterlassungsanspruchs, wobei der Wert für den nur teilweise ausschließlich Nutzungsberechtigten, die man Anspruch auf Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie nicht zusteht, nicht höher sein kann als für den Urheber oder weitergehend ausschließlich Nutzungsberechtigten, die man Anspruch auf Lizenz analogen Schadenersatz zustehen würde. Die Methode der Berechnung des Streitwertes im Falle einer Abmahnung durch einen zur Streitwerte von 10.000 € und mehr erscheinen jedenfalls nicht gerechtfertigt. Sie stehen außer Verhältnis zur Höhe des zu leistenden Lizenz analogen Schadenersatzes und berücksichtigen auch nicht hinreichend, dass durch die abmahnende Vorgehensweise gegen den einzelnen das Filesharing in seiner Gesamtheit nur wenig berührt wird. Die Annahme eines hohen Streitwertes zum Zwecke der Generalprävention, also im Hinblick auf eine möglicherweise abschreckende Wirkung gegenüber Dritten, ist im Zivilrecht wesensfremd und daher unzulässig“ (…).
Die Annahme eines hohen Streitwertes zum Zwecke der Generalprävention, also im Hinblick auf eine möglicherweise abschreckende Wirkung gegenüber Dritten, ist im Zivilrecht wesensfremd und daher unzulässig.
Bestimmung des Streitwertes gegenüber einer Privatperson
„Die Höhe des Streitwertes des Unterlassungsanspruchs ist gegenüber Privatpersonen zurückhalten zu bestimmen und beträgt im Hauptsacheverfahren das dreifache der Lizenzgebühr im Fall eines Fotos bei einer eBay-Versteigerung (OLG Nürnberg NJOZ 2013,1035). Das OLG Düsseldorf nimmt jedenfalls dann, wenn der Schadenersatz nach Lizenzanalogie sich aus einer hohen Jahres Lizenz bemisst, selbst im Fall einer Verbreitung einer öffentlichen Fußball-Übertragung durch einen Gastwirt unter Verletzung der ausschließlichen Nutzungsrechte des Rechteinhabers, also bei einer Verletzung im kommerziellen Bereich, lediglich eine Verdreifachung des Schadenersatzes zur Bemessung des Streitwertes der Unterlassung vor (OLG Düsseldorf I 20 W 81/12). Geht es um Schadenersatz wegen Filesharings ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffsschwere im Hinblick auf die Weiterverbreitungsmöglichkeit tiefer ist als bei einer zeitlich eng begrenzten privaten EBay-Auktionen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die dem Filesharing immanente Möglichkeit unendlicher Weiterverbreitung bereits bei der Höhe des Schadenersatzes berücksichtigt ist und daher wenig Anlass besteht, aus diesem Grund nochmals Streitwert massiv zu erhöhen. Insgesamt erscheint dem Gericht gegenüber einer Privatperson, die Filesharing betreibt, ein Streitwert in Höhe des fünffachen des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie angemessen“.
Wie berechnet das Amtsgericht Düsseldorf bei Filesharing den zustehenden Schadenersatz?
„Dieser Schadensersatz ist bei lediglich zu einem einzelnen Zeitpunkt festgestellten Rechtsverletzung niedrig anzusetzen, da es sich gegenüber dem in verbraucherähnlicher Stellung handelnden Filesharer verbietet, kommerzielle Pauschallizenzen als Maßstab heranzuziehen, vielmehr kommt es auf die Anzahl der möglichen direkten Vervielfältigungen für die Dauer der eigenen Downloadzeit an, weil lediglich im Umfang der eigenen Downloadzeit die Lebenserfahrung dafür spricht, dass das Werk über das Filesharingnetzwerk zur Verfügung gestellt worden ist. Diese Anzahl ist sodann mit der fiktiven Lizenzgebühr pro Download (Einsatzbetrag) zu multiplizieren und das Ergebnis im Hinblick auf die besondere Eingriffsintensität des Filesharings zu verdoppeln. Dies gilt auch im Fall der Säumnis des Beklagten, denn bei den von der Klägerseite vorgenommenen Berechnungen der Höhe des Schadenersatzes handelt es sich nicht um eine durch die Säumnis unstreitig feststehende Tatsache, sondern um Rechtsausführungen die, die weiter uneingeschränkt vom Gericht zu überprüfen sind (siehe hierzu ausführlich AG Düsseldorf 57 C3122/13 vom 3. Juni 2014; zur Veröffentlichung vorgesehen)“.
Berechnung der Lizenzgebühr pro Download im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt
„Nachdem seitens der Klägerseite ein Kaufpreis von 7,99 Euro vorgetragen ist und zur Lizenzgebühr pro Download nicht näher vorgetragen worden ist, setzt das Gericht diese in zurückhaltender Schätzung auf 20 % des Nettokaufpreises an, mithin 1,34 €. Diese Schätzung folgt aus der mit der Tätigkeit in einem Spezialdezernat verbundenen Kenntnis der Materie, wonach im Durchschnitt 30 % des Nettokaufpreises als Lizenzgebühr vereinbart worden sind. Der fehlende Vortrag zu diesem Punkt lässt es naheliegend erscheinen, dass die Lizenzgebühr hier eher niedriger als im Durchschnitt liegt“.
Berechnung des konkreten Schadens
„Geht man davon aus, dass ein Filmtitel eine Dateigröße von etwa 2 GB aufweist und legte man die Eigenschaften eines üblichen DSL 6000-Anschlusses zu Grunde ergibt sich die Möglichkeit zum Download von beim Beklagten angekommenen Chunks durch andere Filesharingnutzer während der Dauer seiner eigenen Download Zeit in folgendem Umfang:
Ein DSL 6000-Anschluss ermöglicht den Download mit bis zu 601 6 kbit/s. Dies entspricht 752 KB/s. eine Filmdatei der angenommenen Größe von 2 GB entspricht 2.097.152 KB. Mithin beträgt unter optimalen Bedingungen die Download Zeit ca. 5 Minuten. Uploads sind über den DSL 6000-Anschluss lediglich mit einer Geschwindigkeit von 384 kb/s, also 48 KB/s, möglich. Innerhalb eines Zeitraums von 46,5 Minuten können demnach theoretisch maximal 129,4 MB (1MB gleich 1024KB) an andere Nutzer des Filesharing-Netzwerkes verbreitet werden. Die Größe eines einzelnen Chunks, also einer kleinsten Einheit, aus denen sich die gesamte heruntergeladene Datei zusammensetzt, beträgt eDonkey2000-Netzwerk 9 MB. Das Filesharing erfolgt hier nach dem eDonkey2000-Protokoll weil der von der Klägerseite angegebene Client eMule nach diesem Protokoll arbeitet (…). Innerhalb des eigenen Downloadzeitraums sind daher rechnerisch lediglich 14 Downloads durch andere unter Beteiligung von Chunks der Beklagtenseite möglich, mithin ist ein Multiplikationsfaktor 14 auf den Einsatzbetrag anzuwenden, nach Verdoppelung im Hinblick auf die besondere Eingriffsintensität des Filesharing durch die Fortsetzung der Verbreitungskette ergibt sich ein Faktor von 28 ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Abschlag im Hinblick darauf naheliegt, dass das deutschsprachige Werk im weltweiten Filesharing Netzwerken nur eingeschränkt Nachfrage findet. Dies entspricht einem Schadenersatzbetrag in Höhe von 37,52 €. Das Fünffache dieses Betrages, also 187,60 €, stellt den Streitwert der Abmahnung dar. Die Kosten der Abmahnung einschließlich Auslagenpauschale berechnen sich demnach aus der niedrigsten Streitwertstufe der bis zum 31.07.2013 gültigen Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). sie betragen mithin 39 €.
Nur in dieser Höhe ist die Klage in der Hauptforderung schlüssig (…).“
Kostenquote: 96 % Klägerin, 4 % Beklagter.