Das Urteil gegen Beate Zschäpe – Fakten und Hintergründe - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

16. Juli 2018

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Das Urteil gegen Beate Zschäpe – Fakten und Hintergründe

Das Urteil gegen Beate Zschäpe – Fakten und Hintergründe
Gut 5 Jahre wurde verhandelt, an 437 Verhandlungstagen, 765 Zeugen und 41 Sachverständige wurden geladen, 86 Nebenkläger beteiligten sich, 480 Seiten umfasste die Anklageschrift. Die nackten Zahlen des NSU-Prozesses, bei dem Beate Zschäpe als Mittäterin eines Neonazi-Trios sowie vier weitere NSU-Unterstützer angeklagt waren, machen deutlich, welche Bedeutung und welchen Umfang das Gerichtsverfahren beim OLG München hatte. Am 11. Juli fiel das Urteil: Beate Zschäpe erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die übrigen Angeklagten wurden zu mehrjährigen Haftstrafen.
1. Was ist der NSU?
NSU bedeutet „Nationalsozialistischer Untergrund“. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gelten als rechtsextremes NSU-Trio. Allerdings soll es noch einige Unterstützer gegeben haben, von denen vier im NSU-Prozess verurteilt wurden. Wegen des Verschickens mehrerer Bombenattrappen an verschiedene Institutionen in Jena wurden Haftbefehle gegen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erlassen. Daraufhin tauchten die drei Anfang 1998 in den Untergrund ab.
Seitdem beging der NSU über ganz Deutschland verteilt neun Morde an ausländischen Mitbürgern sowie einen Mord an einer (deutschen) Polizistin und ein Mordversuch an einem anderen Polizisten in Heilbronn. Hinzu kamen mehrere Bombenanschläge und Banküberfälle. 2011 erschossen sich Böhnhardt und Mundlos in einem Wohnwagen, in welchem Tatwaffen, die Dienstwaffen der Heilbronner Polizisten sowie andere Beweisstücke gefunden wurden. Beate Zschäpe verschickte offenbar danach Bekenner-Videos und zündete das Zwickauer NSU-Versteck an.
2. Zschäpes Taten in Mittäterschaft
Beate Zschäpe ist wegen zehnfachen Mordes plus Mordversuchs, zweier Bombenanschläge, 15 Raubüberfällen, besonders schwere Brandstiftung sowie Bildung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) verurteilt worden.
Das Gerichtsverfahren beruhte zum Teil auf Indizien, weil etwa nicht belegt werden konnte, dass Beate Zschäpe während der Taten an den jeweiligen Orten gewesen ist. Dennoch folgte das Gericht der Auffassung der Bundesanwaltschaft, dass Zschäpe als Mittäterin der von Böhnhardt und Mundlos begangenen Taten anzusehen ist. Gemäß § 25 Abs. 2 StGB war sie demnach als Täterin zu bestrafen. Hierbei galt es zu beweisen, dass die Taten „gemeinschaftlich“ begangen wurden, wobei Zschäpe dafür nicht an den Tatorten gewesen sein muss. Nach Überzeugung des Gerichts gab es zum einen einen gemeinsamen Tatplan hinsichtlich der o.g. Taten, was sich letztlich v.a. aus den politisch-ideologischen Motiven heraus ableiten lasse. Zudem seien die Taten, so die Ankläger, nur aufgrund des Zutuns von Beate Zschäpe realisiert worden. Unter anderem habe Zschäpe – als gleichberechtigtes NSU-Mitglied – Unterkünfte organisiert, Gelder verwaltet, Alibis verschafft bzw. Legenden erstellt. Von einer „gemeinsam gewollten Gesamtkonzeption“ spricht das Gericht.
3. Was bedeutet nun das Urteil für Beate Zschäpe?
Gemäß § 211 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) ist für Mord nur eine Strafe möglich: die lebenslange Freiheitsstrafe. „Lebenslang“ heißt nicht – wie oft in der Bevölkerung angenommen –, dass der Verurteilte nach 15 Jahren das Gefängnis wieder verlassen darf. Vielmehr wird nach dieser Zeit die (Rest-)Freiheitsstrafe des Gefangenen nur dann zur Bewährung ausgesetzt, wenn ein Gutachter zu dem Entschluss kommt, dass offensichtlich keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit vom Gefangenen ausgeht. Der Antrag auf Aussetzung kann also auch abgelehnt werden.
Bei Beate Zschäpe wurde darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB). Erfahrungsgemäß ist die Freilassung nach 15 Jahren in diesem Fall sehr unwahrscheinlich. Die Strafvollstreckungskammer entscheidet nach 15 Jahren, wie lange der Gefangene noch im Gefängnis bleiben muss und berücksichtigt wiederum die Persönlichkeit des Täters in Verbindung mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit. Eine Obergrenze der Freiheitsstrafe gibt es dabei nicht.
Auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung (nach Verbüßen der Haftstrafe) verzichtete das OLG München. Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich neben der lebenslangen Freiheitsstrafe möglich, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nur in einem engen Grenzbereich. In diesem Fall war die Anordnung nach Ansicht der Richter nicht erforderlich bzw. verhältnismäßig. Vor dem Hintergrund des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit sei „kaum vorstellbar, dass nach einer bedingten Entlassung noch Umstände vorliegen könnten, die eine Vollstreckung der Sicherungsverwahrung noch gebieten könnten“, so das OLG in seiner Pressemitteilung vom 11. Juli.
Die Verteidiger haben bereits Revision angekündigt. Bis zum endgültigen Verfahrensabschluss könnte es also noch einige Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern.