Urteil OLG Schleswig-Holstein 10.01.2012 Az.: 6 U 31/11 zur Dringlichkeitsvermutung § 12 Abs. 2 UWG - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

18. Januar 2012

Entscheidungen

Urteil OLG Schleswig-Holstein 10.01.2012 Az.: 6 U 31/11 zur Dringlichkeitsvermutung § 12 Abs. 2 UWG

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat am 10.01.2012 unter dem Aktenzeichen 6 U 31/11 seine bisherige Rechtsprechung zur Dringlichkeitsvermutung im Sinne des § 12 Abs. 2 UWG weitergehend konkretisiert.
Das OLG Schleswig wird in diesem Zusammenhang mit einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 zitiert, wonach sich der Dringlichkeitszeitraum bis zu zwei Monaten erstrecken könne, wobei zu beachten ist, dass der genannte § 25 UWG dem § 12 Abs. 2 UWG in der aktuellen Fassung entspricht:
„Im Anschluss an diese Abmahnung hatte die Beklagte am 30.12.1994 eine auf die konkrete Werbeanzeige eingeschränkte Unterlassungserklärung abgegeben. Damit hatte der Kläger sich zufrieden gegeben. Mit diesem Verhalten im Anschluss an die Abmahnung vom 16.12.1994 könnte der Kläger zum Ausdruck gebracht haben, das er das völlige Vertriebs- und Werbeverbot der Tabletten nicht im gerichtlichen Eilverfahren durchsetzen will. Damit könnte wiederum die Dringlichkeitsvermutung im vorliegenden Verfahren insoweit ausgeräumt sein, als auch hier der Kläger seinen Unterlassungsanspruch stützt, die Beklagte dürfe die Tabletten mangels arzneimittelrechtlicher Zulassung überhaupt nicht vertreiben und bewerben.
(…)
Die Dringlichkeitsvermutung gem. § 25 UWG ist soweit nicht widerlegt, als der Kläger behauptet, die streitigen Werbeaussagen seien – unabhängig von der Verkehrsfähigkeit der Tabletten im übrigen – irreführend i.S.v. § 3 UWG. Da es sich um neue Werbebehauptungen handelt, ist auf die alte Abmahnung vom 16.12.1994 nicht abzustellen. Selbst wenn der Kläger hier – was die Beklagte geltend machen will – zur Marktbeobachtung verpflichtet gewesen wäre, und er die neuerliche Werbekampagne der Beklagten schon im Februar 1995 erkannt hätte oder jedenfalls hätte erkennen müssen, beseitigt dies die Dringlichkeitsvermutung nicht. Die Zeitspanne bis zur Abmahnung vom 25.04.1995 ist auf jeden Fall nicht so lang, als dass deshalb die Dringlichkeitsvermutung entkräftet sein dürfte. (OLG Schleswig, AZ: 6 O 53/95)“
Das OLG Schleswig hat nunmehr entschieden, dass die Dringlichkeitsvermutung gem. § 12 Abs. 2 UWG als Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung jedenfalls dann widerlegt ist, wenn ein Wettbewerbsverstoß, der seit dem 29.11.2010 bekannt ist, der unter dem 15.12.2010 mit Frist bis zum 23.12.2010 abgemahnt wird, erst unter dem dem 20.01.2011 im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtlich verfolgt wird, obschon bereits zuvor unter dem 22.12.2010 die Abgabe einer Unterlassungserklärung telefonisch verweigert wurde.
„Ab diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass er ohne gerichtliche Geltendmachung seines Unterlassungsansspruchs nicht auskommen würde. Die Rechtslage war eindeutig; auch waren keinerlei Recherchen notwendig. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung musste keine anderen oder weiteren Fakten mehr enthalten als das Abmahnungsschreiben. Hinzukommt, dass der Beklagte die Telefonnummer auch bereits unmittelbar nach Erhalt der Abmahnung aus seinen Angeboten entfernt hatte und nichts dafür vorgetragen ist, dass die Gefahr bestand, dass er die Telefonnummer wieder in sein Angebot aufnehmen würde. Unter diesen besonderen Umständen ist selbst unter Berücksichtigung der Feiertage der Zeitraum von mehr als zwei Wochen vor der Abmahnung und fast vier Wochen nach Verweigerung der Unterlassungserklärung zu lang. Die Dringlichkeit fehlt, so dass das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.“ (OLG Schleswig, 10.01.2012, Az. 6 U 31/11)