Justizfehler verschaffen Gustl Mollath nach über 7 Jahren die Freiheit - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

14. August 2013

Tipps Strafrecht

Justizfehler verschaffen Gustl Mollath nach über 7 Jahren die Freiheit

Es fing an mit einem Rosenkrieg zwischen ihm und seiner Frau Petra. Seit 2001 soll es zu Handgreiflichkeiten und einer Freiheitsberaubung gekommen sein; Mollath beschuldigte seine bei der HypoVereinsbank tätigen Ehefrau, dass sie in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt war.

2006 wurde Mollath in einem Strafprozess wegen gefährlicher Körperverletzung wegen Schuldunfähigkeit vom Landgericht Nürnberg-Fürth freigesprochen. Mollath soll unter paranoiden Wahnvorstellungen gelitten haben. Ein Gutachten ergab aber auch die Gemeingefährlichkeit des Angeklagten, so dass er in eine Psychiatrie eingewiesen wurde.

Medien und Politik mischen mit

Der Prozess wurde in verschiedenen Medien aufgegriffen und kritisch hinterfragt, vor allem von der Süddeutschen Zeitung und dem Report Mainz. So wurde das Gutachten in Frage gestellt, die Staatsanwaltschaft sei Hinweisen bzgl. der Schwarzgeldvorwürfe nicht gründlich genug nachgegangen, Notizen und andere entlastende Erkenntnisse seien im Verfahren nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden, außerdem wurde Richter Otto Brixner Einflussnahme auf die Steuerbehörden vorgeworfen.

Ende 2012 deckten die Süddeutsche Zeitung und Report Mainz auf, dass Mollaths Vorwürfe zwar nicht immer schlüssig waren aber teilweise zu Recht erhoben wurden. Längst ist der Fall auch zu einem Politikum geworden. Inzwischen beschäftigte sich der bayerische Landtag intensiv mit Mollath. Justizministerin Beate Merk verteidigte die Einweisung Mollaths in die Psychiatrie. Nachdem die Steuerbehörden im Herbst 2012 mindestens einen Vorwurf bzgl. der Schwarzgeldgeschäfte als richtig ansahen, forderte die Opposition den Rücktritt Merks. Schließlich kündigte Merk an, den Fall neu untersuchen zu lassen.

Erster Wiederaufnahmeantrag

Verteidiger Gerhard Strate stellte im Februar den ersten Wiederaufnahmeantrag. Er berief sich v.a. Auf § 359 Nr. 3 StPO, wonach ein Grund zur Wiederaufnahme besteht, „wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich (…) einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat“. Strates Ansicht nach lag eine Rechtsbeugung vor, da Richter Brixner den als Zeugen in Frage kommenden Pflichtverteidiger Mollaths nicht entlassen und als Zeuge vernommen habe. Zudem habe Brixner es in einem Fall unterlassen, Mollath anzuhören und den Sachverhalt trotz vorliegenden Aktenmaterials mutwillig verfälscht.

Daneben stützt sich Strate auf § 359 Nr. 5 StPO. Hiernach ist eine Wiederaufnahme zulässig, sofern neue für den Ausgang des Verfahrens relevante Tatsachen hervorgebracht werden. Als neue Tatsachen führt er den angeblich fehlenden Eröffnungsbeschluss über das Hauptverfahren sowie die Einweisung zur Untersuchung als verbotene Vernehmungsmethode an.

Wiederaufnahme nach Beschwerde

Am 6. August ordnete das Oberlandesgericht Nürnberg die Wiederaufnahme des Verfahrens und die umgehende Freilassung Mollaths an. Damit folgte das Gericht im Wesentlichen der Staatsanwaltschaft Regensburg in ihren Feststellungen. Die Staatsanwaltschaft hatte am 18. März einen Wiederaufnahmeantrag gestellt und sich auf § 359 Nr. 1 StPO berufen. Das Verfahren kann demgemäß wieder aufgenommen werden, „wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war“. Das Attest vom 3. Juni 2006 enthielt die Unterschrift des praktizierenden Sohnes der Praxisinhaberin. Sie war als solche auf dem Attest genannt. Der Sohn unterschrieb mit „i.V.“, was aber nur bei deutlicher Vergrößerung zu sehen war. Somit entstand der Eindruck, dass die Praxisinhaberin die Feststellungen getroffen hätte und nicht ihr Sohn. Ein Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 1 StPO sei daher gegeben, da eine unechte Urkunde vorgelegen habe. Ferner seien damit auch neue Tatsachen gem. § 359 Nr. 5 StPO gegeben, weil sich nun der Aussteller als ein anderer erwiesen habe und die Glaubwürdigkeit von Mollaths Frau neu zu beurteilen wäre.

Das Landgericht Regensburg hatte am 24. Juli zunächst beide Wiederaufnahmeanträge abgewiesen. Hiergegen legten Verteidiger und Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Die Entscheidung wurde vielfach öffentlich kritisiert. Doch die 7. Strafkammer des Regensburger Landgerichts war der Auffassung, dass keine unechte Urkunde, sondern eine echte hergestellt wurde. Denn eine Vertretung sei möglich, sofern der Erklärende den Vertretenden vertreten möchte, dieser damit einverstanden ist und eine rechtliche Vertretung erlaubt ist.

Auch das OLG Nürnberg hält eine Vertretung unter diesen Umständen selbst dann für möglich, wenn man mit dem Namen des Vertretenden unterschreibt. Allerdings gehe es vorliegend um höchstpersönliche Wahrnehmungen und in einem solchen Fall sei eine Stellvertretung gerade nicht zulässig. Das Attest stellte demnach eine unechte Urkunde dar. Das OLG Nürnberg betonte auch, dass es nur auf die Erkennbarkeit des „i.V.“ in Originalgröße ankomme. Genau diese war aber nicht vorhanden.
Die Rechtskraft des damaligen Urteils ist mit der Entscheidung des OLG entfallen. Das OLG Nürnberg hat die Sache nicht an die 7. Strafkammer des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen, sondern an eine andere, weil es offenbar nicht an die Objektivität der 7. Kammer glaubt. Nun muss das LG Regensburg neu entscheiden, sowohl über den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung als auch über die Gemeingefährlichkeit Mollaths und die zuvor angenommene psychische Erkrankung.